Die Entstehung und Wertschätzung
einer südmährischen Duchent

Ein Mensch, der sich eine südmährische Duchent nicht zu schätzen weiß, hat sicher nicht auf dem Boden eines Speichers mit hundert anderen Menschen geschlafen, der hat nicht auf dem kalten Betonboden eines Kellers, der als Lazarett diente, die Nacht verbracht. Er weiß auch nicht, wie es sich auf den harten Bänken eines mit Verwundeten überfüllten Zuges schläft oder auf einer Strohschütte in einem Viehwagen. Solch ein Mensch hat noch nicht mit anderen auf einem Tisch geschlafen, hat noch nie unter einer dünnen Decke oder unter einem Soldatenmantel gefroren, wenn der Schnee durch zerbrochene Fensterscheiben stäubte. Ich glaube, dieser Mensch weiß nicht einmal, daß mehrere Kotzen schwerer als warm sind. Wer dies alles nicht erlebt hat, der kann auch die Freude nicht verstehen, nach fünf Jahren endlich wieder im Besitze einer Duchent zu sein. Ganz feierlich wurde mir zu Mute, als ich sie auspackte. Viele Stunden Arbeit haben Vater und Mutter an das neue saubere Inlett gesetzt und Federkirtag hat es beim Umfüllen gegeben. So ist mir die Duchent ein Zeichen elterlicher Liebe und sorge geworden und erfüllt mein Herz mit Freude darüber, daß ich Eltern habe, aus deren Hut man nicht herausfällt, selbst wenn man schon jahrelang hunderte Kilometer von ihnen entfernt lebt. Fort
mit der blaugestreiften Sträflingsjacke meiner Kotzentage! Verachtung trifft heute die Gummiwärmeflasche. Die ist gut für alte Weiber! Also nur hinein in die Federn! Kinder, ist das herrlich, ist das gut! In wieviel Liebe gebettet schläft man ein! Und nicht ein einziges Mal, auch nicht zwischen vier und fünf Uhr, wo es immer so kalt wurde um die Schultern, daß man kaum weiterschlafen konnte, wacht man auf. Wie freudvoll traf einen der Morgen an! Wir warm schmiegten sich die Federn um Arme und Brust. Und so im Dämmern fingen die Federn zu erzählen an und es wurde mir klar, warum sie so gut wärmen, denn es sind Federn von daheim. Südmährische Gänse sind in ihrem weißen Federkleid durch das Dorf gewackelt, ließen sich in ihm im Dorfbach unter den hängenden Weiden wohlsein und waren in ihm vergnügt am grünen Rasen. Aber nicht lange dauerte ihre goldene Freizeit. Großmutter steckte sie in die Steige neben dem Saustall und dort wurden sie geschoppt. O, ich bin kein Bauernkind, sonst müßte ich wissen, wie lange man sie schoppte und wie schwer sie vor ihrem Tode waren. Ich weiß es wirklich nicht, aber Prachtexemplare waren sie jedenfalls, die Gänse meiner Töstitzer Großmutter. Damals, in der Jugendzeit interessierten uns Kinder nicht die Federn und deren Verwendung. Wir hatten ja unsere riesengroße Duchent, auf der man so herrlich „Stirzelbam“ schlagen konnte, wenn die Mutter außer Sichtweite war und über etwas, das man nicht hat, macht man sich keine Sorgen und Gedanken. Viel mehr interessierten uns Kinder die „Haxen“, die Leber und das „Herzerl“. Es war ein kleines Fest, wenn die ganze Familie am Sonntag um den Tisch saß und es Ganserl gab. Mit einer gewissen Feierlichkeit machte sich Großvater an das gerechte Verteilen. Uns Kindern schob man großzügig die begehrten „Haxen“ zu, „Flie“ und „Hutschen“ und was sie sonst noch gab, bekamen die andern. Mutter erhielt immer den „Krog’n“, darum konnte sie auch so gut singen. Beim „Banerklaubn“ durfte man die Knochen in die Hand nehmen und daran lutschen bis man von Fett von einem bis zum anderen Ohr glänzte. O, so ein Ganslsonntag hatte es an sich! Die Federn kamen inzwischen in einen Sack und wenn der Sommer längst dahingegangen war und der friichteschwere Herbst vom weihnachtsseligen Winter abgelöst war, dann ging es an das Federnschleißen. Alle Weibsleute des Hauses und der Nachbarschaft saßen um einen Tich herum und zupften mit flinker Hand die kleinen Federchen von den Kielen. Und wieder waren es nicht die Federn als solche, welche uns Kinder fesselten, sondern ihre Eigenschaft, sich im Haar der Schleißerinnen festzusetzen, davon zu fliegen, wenn man ein weniger stärker atmete. Es war doch herrlich, daß sich wegen dieser weichen, weißen Berge die Erwachsenen so gemütlich zusammensetzten, plauderten, sangen, schöne Geschichten erzählten. Man konnte ruhig und geborgen, vom gleichmäßigen Schüttern der Schrotmaschine am Tisch eingewiegt, beim Tisch einschlafen. Und erst der Federhahn! Bei Kaffee, Striezel und „Zuckerbacht“ ging es zum Abschluß des Federschleißens im Hause recht lustig zu. Mein Gott, mitten im Schreiben, mitten im Erzählen von so fröhlichen Dingen, rinnen mir mit einem Mal die Tränen über das Gesicht, weil ich dessen inne werde, daß dies alles verloren und vorbei ist, weil ich erwachend erkenne, daß ich in Graz bin, in Graz und Südmähren ist so weit. Von diesen geschlissenen Federn gab uns die Großmutter und die Godl mit in die Stadt, so daß wir an gewaltigen Duchenten und Pölstern keine Not hatten, bis 1945, als wir alles verloren. Nach fünf langen, schweren Jahren habe ich nun wieder eine eigene Duchent bekommen, eine Duchent, die viel mehr wert ist als Federn, Inlett und Überzug. Ist es ein Wunder, daß ich so gut geschlafen habe? In einem Nest von Liebe und Heimat lag ich geborgen. Komme kalter Tag im fremden Land — ich bin gerüstet!
Rosl Blaha.

Aus: Südmährisches Jahrbuch 1953, S. 154-155